Fischbüchlein vom Bodensee
Das Fischbüchlein vom Bodensee ist weiterhin „das älteste zur Zeit bekannte deutsche Fischbüchlein“ (Hoffmeister 1968: 261) und besteht aus 30 aneinandergereihten Anleitungen zum Fischfang. Es ist unikal auf 12 Seiten (fol. 46r–51v, nach moderner Bleistiftfoliierung, vgl. Obhof 2006: 136) in der um 1450 westlich des Bodensees angelegten Sammelhandschrift Cod. Donaueschingen 792 der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe überliefert. Darin steht es v.a. neben Fachtexten zur Human- und Veterinärmedizin sowie zur Weinherstellung und -Pflege (s.u.) und unmittelbar vor dem Vogeljagdbüchlein vom Bodensee (fol. 52r–54r), in dem sich noch eine weitere Anleitung zum Fischfang findet. Orientiert am Inhalt der Sammlung wird angenommen, dass diese zum Privatgebrauch eines wohlhabenden Pferdehalters mit grundlegenden Lateinkenntnissen angelegt wurde, der u.a. einen Weinkeller besaß und sich für Jagd und Fischerei interessierte (Eis 1956/1971b: 265).
Inhalt und Quelle
Im Gegensatz zum Tegernseer Angel- und Fischbüchlein, dem Fisch- und Vogelfangbüchlein des Johannes Rittershofen und dem Vogeljagdbüchlein vom Bodensee werden im Fischbüchlein vom Bodensee keine Tollköder, sondern ausschließlich Lockköder behandelt. Diese sollten die Fische entweder durch Geruch oder durch Leuchten anlocken (Vgl. Hoffmeister 1968: 263). Den Geruch lieferten u.a. die Zutaten Kampfer, Saffran, Reiherschmalz, Bock- und Rinderleber, (Tier- und) Menschenblut oder Bibergeil, und das Licht erzeugten u.a. Flammen, Leuchtkäfer oder Leuchtbakterien, die man auf Hundeleber oder faulem Holz angesiedelt fand (Bakterienlampen, Vgl. Eis 1956/1971a sowie Eis 1970/1974: 13ff.). Die dabei einzusetzenden Fanggeräte sind die Reuse, die Angel, Netze sowie die bloßen Hände. Eine Besonderheit stellt die Anleitung zum Bau eines – wahlweise mit Taucherhelm (wasserkappe) – am Kopf befestigten Schnorchels (ror) dar, mit dem es gelingen soll, sich unter der Wasseroberfläche zu bewegen und Fische aufzusammeln. Die Konstruktion einer Bakterienlampe mit faulem Holz wurde zusätzlich zur Anleitung marginal mit Hilfe einer Illustration erläutert (fol. 50v). Nur in einem Fall wird der Aal als konkreter Zielfisch zu einer Anleitung genannt (fol. 49v); ansonsten ist – eine Anleitung zum Fang von Krebsen (fol. 51v) ausgenommen – bloß von Fischen im Allgemeinen die Rede. Bis auf die einmalige lateinische Wiederholung einer Anleitung (fol. 49r) ist das Fischbüchlein in deutscher Sprache verfasst worden.
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Überlieferung
Cod. Donaueschingen 792
Informationen zum Codex | |
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Handschriftencensus | https://handschriftencensus.de/10636 |
Informationen zum Text | |||
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Beschreibstoff | Papier | ||
Blattgröße | 27 x 20 (nach Obhof 2006: 136 für die gesamte Hs.) | ||
Schriftraum | 20 x 13,5, Schriftraum durch Tintenlinien begrenzt
(nach Obhof 2006: 136 für die gesamte Hs.) | ||
Spaltenzahl | einspaltig | ||
Zeilen | 27–32 (gesamte Handschrift: 24–32) | ||
Zählung | Moderne Bleistiftfoliierung unter „fehlerhafte[r]
Tintenfoliierung“ (Obhof 2006: 136) | ||
Entstehungszeit | um 1450 (Obhof 2006: 136) | ||
Entstehungsort | westl. d. Bodensees (Obhof 2006: 136; die Behandlung
des Aalfangs spricht für eine Nähe zum Rhein statt zur Donau, vgl. Hoffmeister 1968: 262) | ||
Schreibsprache | östl. Hochalemannisch (Obhof 2006: 136) | ||
Schreiber | eine Hand (daneben in der Handschrift verteilte Nachträge
jüngerer Hände, s.u. zur Mitüberlieferung) | ||
Schrift | Kursive (Obhof 2006: 136)
Schwäbische Bastarda (Hoffmeister 1968: 262) | ||
Seitenumfang | 46r–51v (nach moderner Bleistift-Foliierung, vgl.
Obhof 2006: 136) | ||
Version/Fassung | unikal | ||
Titel | Viſche z vahen (fol. 46r) | ||
Besitzeintrag | Anfang 18. Jh. wohl im Besitz des Aarauer Arztes Dr.
med. Wilhelm Reichner; Besitzvermerk: Sum (fol. 8r) Wilhelmi (fol. 18r) Reichnerij (fol. 28r) Aroënsis M[edicus] 1713 (fol. 38r) (nach Obhof 2006: 136) | ||
Mitüberlieferung
(nach Obhof 2006: 136–140) |
Zu Beginn Textverlust | ||
fol. 1r–8v | Meister Albrant: Roßarzneibuch (Fassung I) | ||
fol. 8v–11r | Heinrich von Lauingen: Hippiatrisches Rezeptar I | ||
fol. 11r–14v | Meister Albrant: Roßarzneibuch (Fassung II) | ||
fol. 14v–17r | Heinrich von Lauingen: Hippiatrisches Rezeptar II | ||
fol. 17r–27r | Papst Clemens‘ Roßarzt: Arzneibuch | ||
fol. 27r–30v | Meister Albrant: Roßarzneibuch (Fassung III) | ||
fol. 30r–39v | Roßaventüre | ||
fol. 40r/v | – | ||
fol. 41r–45v | Pflaster und Salben (fol. 42r: Ergänzung wenig jüngerer Hd. A) | ||
fol. 46r–51v | Fischbüchlein vom Bodensee | ||
fol. 51v (unten) | wenig jüngere Hd. B: Blutsegen | ||
fol. 52r–54r | Vogelfangbüchlein vom Bodensee | ||
fol. 54r | Nachträge Hd. B | ||
fol. 54v*–81v | Rezepte zur Herstellung und Behandlung von Wein, Essig
und Met (fol. 71r–71r (Hd. A), 73v marginale Nachträge) | ||
fol. 82r–91r | Pseudo-Albertus Magnus (Gottfried von Franken):
Tractatus de vino et eius proprietatibus | ||
fol. 91v–108r | Rezepte zu Herstellung, Behandlung und Verwendung von
Wein, weiteren Getränken und Medikamenten (dt./lat.); Autorenangaben auf fol. 94r/v, 103r und 104v | ||
fol. 108r/v | Nachträge Hd. A und B | ||
fol. 109r–180v | Medizinische Rezepte (dt./lat.), marginale Nachträge
Hd. A (fol. 120v, 129r, 144v, 159v/160r und 167v/168r) und B (fol. 109r) und 121r | ||
Am Ende Textverlust | |||
gedruckte Edition | Hoffmeister 1968 | ||
digitale Edition | Link folgt |
Literatur
Eis, Gerhard: Bakterienlampen im Mittelalter. In: Gerhard Eis: Forschungen zur Fachprosa: Ausgewählte Beiträge. Bern/München 1971, S. 219–222. [Zuerst erschienen in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 40 (1956), S. 289–294.]
Eis, Gerhard: Ein Vogeljagdbüchlein vom Bodensee. In: Gerhard Eis: Forschungen zur Fachprosa: Ausgewählte Beiträge. Bern/München 1971, S. 265–270. [Zuerst erschienen in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 78 (1956), S. 226–234.]
Eis, Gerhard: Altdeutsche Fachschriften als Urkunden des zivilisatorischen Fortschritts. In: Fachprosaforschung: Acht Vorträge zur mittelalterlichen Artesliteratur, herausgegeben von Gundolf Keil und Peter Assion. Berlin 1974, S. 9–23 [zuerst erschienen in ZfdPh 89 (1970) S. 89–104.]
Hoffmeister, Gerhart: Fischer- und Tauchertexte vom Bodensee. In: Fachliteratur des Mittelalters: Festschrift für Gerhard Eis, herausgegeben von Gundolf Keil, Rainer Rudolf, Wolfram Schmitt und Hans J. Vermeer. Stuttgart 1968, S. 261–275.
Obhof, Ute: Ein Haus- und Arzneibuch des 15. Jahrhunderts (‚Buch vom Menschen, Tier und Garten‘) aus der Bibliothek des Sammlers Joseph von Laßberg: Der Codex Donaueschingen 792 der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. In: Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen 2/3 (2006) S. 135–141.