Kategorie:Fischfang
Bedeutung der Fischerei im Mittelalter
Die mittelalterliche Fischerei diente vornehmlich der Nahrungsbeschaffung. Eine in dem Zusammenhang häufig betonte besondere Bedeutung von Fisch als Fleischersatz im Rahmen der Fastengebote ist hauptsächlich im Bereich der monastischen und adeligen Lebenswelt zu suchen (Vgl. u.a. Amacher 2006a: 100 und 1996: 124). Klostergemeinschaften, die etwa streng der Benediktsregel mit ihrem Fleischverbot folgten, sorgten oft für eine gesicherte Versorgung mit Fisch (Vgl. einschränkend Lampen 2000: 63f.). Daneben spielten Fleisch und Fisch in der Ernährung meist eine allenfalls ergänzende Rolle – Fleisch konnte hier an Abstinenztagen nur „ersetzt“ werden, wenn es ohnehin auf den Teller kam (Vgl. Amacher 2006a: 100). Eine grundsätzliche Wichtigkeit des nahrhaften und reichlich vorhandenen Fisches für die Ernährung der Bevölkerung bestand dennoch. Die Nachfrage stieg je nach Produktion und Preis anderer Nahrungsmittel sowie der Bevölkerungs- und Stadtentwicklung. Der Verkauf auf Fischmärkten wurde dazu reguliert und kontrolliert, indem bspw. der Zwischenhandel untersagt wurde und die Fischer ihren Fang selbst feilbieten mussten (Vgl. Amacher 2006a: 97, Probst/Sénécheau 2001: 180). Fänge aus lokaler Binnenfischerei, in denen ein Statussymbol der wohlhabenderen Bevölkerung, bzw. der weltlichen und geistlichen Oberschicht gesehen werden kann (Vgl. u.a. Lampen 2000: 38), wurden zudem über den Fernhandel mit eingesalzenem Hering und Stockfisch aus der Seefischerei (v.a. Skandinavien) ergänzt (Vgl. Bossart/Flück 2006: 139 und Lampen 2006: 141ff./174ff.). Letzterer war zwar billiger als der einheimische Fisch aber weiterhin nicht für alle erschwinglich (Vgl. Lampen 2006: 64). Darüber hinaus wurde der Bedarf an Fisch verstärkt ab dem 14. und 15. Jahrhundert über die Fischproduktion der Teichwirtschaft gedeckt (Häberle/Marti-Grädel 2006: 150ff.), mit der die Verbreitung des Karpfens in Nordeuropa fest verbunden ist.
Fischereirechte
Die Frage nach einem Fischereirecht im subjektiven Sinn, also danach, wer zu fischen berechtigt war, ist für das Mittelalter unterschiedlich zu beantworten. Fischereirechte in Binnengewässern wurden oftmals als an das Grundeigentum gebunden betrachtet, sind aber auch als unabhängig von diesem vergebene Rechte überliefert (Vgl. Lampen 2006: 84, Willoweit 2014: 211f., 217). Der Versuch, ein königliches oder später landesherrliches Fischereiregal zu etablieren, scheiterte an der Vielzahl bereits vergebener Individualfischereirechte (Vgl. Lampen 2006: 86ff.). Inhaber von Fischereirechten wie Grundherren und Städte ließen unfreie Fischer als Hörige in ihren Gewässern und freie Berufsfischer gegen Abgaben in gepachteten oder verlehnten Gewässern fischen. Die Berufsfischerei organisierte sich im 14. Jh. und vermehrt im 15. Jh. – teils gemeinsam mit anderen ‚Handwerken‘ – in Zünften (Vgl. Probst/Sénécheau 2001: 174, Amacher 2006a: 102). Die Zunftmitglieder besaßen in den entsprechenden Gewässern das alleinige Recht Fisch zu fangen und diesen zu veräußern. In der sozialen Hierarchie, die sich in städtischen Zunftlisten widerspiegelt, stehen die Fischer meist an unterer Stelle. Auch im Stadtbild zeigt sich die äußere Stellung darin, dass Fischer an Ufernähe und am Stadtrand lebten (Vgl. u.a. Probst/Sénécheau 2001: 174). Fischer waren häufig arm und übten neben der Fischerei ein zweites Gewerbe aus (Amacher 2006a: 97/100f.).
Neben den Berufsfischern pachteten Einzelpersonen wie bspw. Müller Gewässerabschnitte für den Eigenbedarf. Die nur zu diesem Zweck ausgeübte und von der kommerziellen Berufsfischerei zu unterscheidende Subsistenzfischerei (Amacher 2006a: 95f.), also die Fischerei zur Selbstversorgung, war auch Bürgern und Bauern möglich, die in zur Allmend erklärten Gewässern bzw. Gewässerabschnitten Fische fingen (Vgl. Probst/Sénécheau 2001: 172). Für die „Fischerei nach des Tisches Notdurft“ (Vgl. Kohl 2012: 1346) und für Schwangere und Kranke war keine zusätzliche Fischereiberechtigung vonnöten, ein Recht das jedoch Einschränkung erfuhr (Vgl. Kohl 2012: 1346). Die Ablehnung der einfachen Leute dem gegenüber entlud sich u.a. 1525 im Bauernkrieg.
Zusätzlich zur Berufs- und Subsistenzfischerei wurde der Fischfang von der Oberschicht zum Vergnügen ausgeübt. Für den Adel nahm der Fischfang keine mit der Jagd vergleichbare Repräsentationsfunktion ein, wurde aber ebenfalls gerne betrieben (Vgl. die Abb. aus dem Codex Manesse). Diesem Sportfischen wurde meist in Gesellschaft gefrönt (Vgl. Amacher 2006a: 97), wofür die Jagdbücher Kaiser Maximilians I. inkl. Illustrationen ein eindrückliches Beispiel sind.
Nach dem „Wer?“ stellt sich die Frage nach dem „Wie?“, also den Fischereirechten im objektiven Sinn. Zum Schutz vor Überfischung, also für den nachhaltigen Umgang mit der Nahrungsquelle Fisch, wurden Fischereirechte v.a. über Fischerordnungen eingeschränkt. Es wurden Schonzeiten und Mindestmaße verfügt, allzu effektive Fangmethoden untersagt oder spezielle Fanggeräte nur in bestimmter Form erlaubt. So konnten bspw. Netze nur mit einer Maschenweite zugelassen werden, die Jungfischen durchlässig war. Auch die Giftfischerei u.a. mit Tollködern in Form von giftigen Teigkugeln oder auch Substanzen wie Kalk, der der (Fisch-)Fauna erheblichen Schaden zufügen konnte, wurde verboten (Simon-Muscheid 2006: 30, Amacher 1996: 70, Bossart/Flück 2006: 138).
Fischfanggeräte und -methoden
Im Mittelalter wurden verschiedene Fanggeräte und -methoden genutzt, die allerdings eine „geringe geographische und chronologische Differenzierung“ aufweisen (Lampen 2000: 99), sich also nur geringfügig von den aus anderen Epochen und Kulturen bekannten Geräten und Techniken unterscheiden. Unterschiede ergeben sich im Herstellungsmaterial der (Weid-)‚Werkzeuge‘ und über die Zielfische, deren Verhalten und Anzahl verschiedene Fischereitechniken erforderten. Wanderfische fing man z.B. erfolgreich in Fischwehren, pelagische, also sich im freien Wasser aufhaltende (Schwarm-)Fische wiederum mit Netzen. Grundnah stehende Fische, die einzeln zu fangen waren, konnten hingegen auch mit einer Angel erbeutet werden (Vgl. Lampen 2000: 99).
Mittelalterliche Fischfangmethoden sind die Netz- und Garn-, Angel- und Speerfischerei sowie der Fischfang mit Reusen und (festinstallierten) Fangbauten. Auch wurden Fische mit den bloßen Händen und seltener mit abgerichteten Tieren gefangen (Amacher 1996, Lampen 2000: 99f.). Die genannten Fangtechniken lassen sich wiederum in zahlreiche Unterformen spezifizieren. So wurden z.B. mit größeren Netzen wie dem Schwebe- und dem Grundnetz passiv und mit den verschiedentlich aufgebauten Zuggarnen aktiv Fische in größerem Stil gefangen. Auch mit kleineren Handnetzen bzw. Keschern verfolgte man bestimmte Taktiken. Den Schiebehamen z.B. (auch Schiebebär, Storrbär, Streichhamen), dessen Netzrahmen halbkreisförmig eine gerade untere Seite aufwies, konnte man am Gewässergrund entlangführen, um aufgescheuchte Fische aufzusammeln.
Je nach Fangmethode wurde vom Ufer oder Boot aus, bzw. in festen Fangvorrichtungen gefischt. Letztere (v.a. in Form von Fischwehren) sowie auch größere (Zug-)Garne und Netze setzten eine gewisse Organisation und Investition in das Unternehmen voraus und werden der Berufsfischerei zugeordnet. Die kleineren Fanggeräte dagegen konnten – soweit dies nicht untersagt war – von jedermann genutzt werden.
Um Fische in eine Reuse, ein Netz oder an den Angelhaken zu locken, wurden häufig geruchsintensive Lockköder verwendet. Mit diesen sowie mit den oben genannten Toll- bzw. Giftködern wird sich hauptsächlich in den im Folgenden aufgeführten spätmittelalterlichen Fachtexten zum Fischfang auseinandergesetzt. Zusätzlich ist darin die Anwendung abenteuerlicher Fangmethoden wie z.B. eines Tauchgangs mit Schnorchel und von Leuchtködern überliefert. Letztere werden u.a. in Form sog. Bakterienlampen beschrieben, die mit Hilfe von auf faulem Holz oder Fleisch angesiedelten Leuchtbakterien einen lockenden Schein erzeugten (Vgl. Eis 1956/1971, Eis 1970/1974: 13ff.)
Deutschsprachige Fachliteratur zum Fischfang
Ichthyologisches Fachwissen ist das gesamte Mittelalter lang über die Werke von u.a. Plinius d. Ä., Isidor von Sevilla, Hrabanus Maurus, Hildegard von Bingen, Thomas von Cantimpré und Vinzenz von Beauvais bekannt. Informationen speziell zum Fischfang haben sich v.a. in Urkunden, aber auch in erzählenden Quellen erhalten. Die schriftliche Überlieferung der entsprechenden Fachliteratur setzt dagegen erst im Spätmittelalter ein (s. Unterkategorien am Ende der Seite). In Buch X seiner lateinischen Ruralia commodorum libri XII, das heute als ‚Jagdbuch‘ bekannt ist, beschreibt Petrus de Crescentiis Anfang des 14. Jahrhunderts zuerst fischereiliches Wissen. Das ‚Jagdbuch‘ wurde ab dem 15. Jahrhundert in einer älteren, handschriftlich überlieferten, und einer jüngeren, v.a in Drucken überlieferten deutschen Übersetzung in der Vernakulärsprache tradiert. Weitere vernakulärsprachige Texte zum Fischfang sind das Fischbüchlein vom Bodensee, das Fisch- und Vogelfangbüchlein des Johannes Rittershofen und das Fischbuch des Gregor Mangolt, das Tegernseer Angel- und Fischbüchlein und das Tiroler Fischereibuch Maximilians I. Darüber hinaus wird fischereiliches Wissen in anderen Jagdtexten angeschnitten (etwa im Geheimen Jagdbuch Maximilians I.) und ist in Form einzelner sog. Rezepte zum Fischfang, die teils den genannten Texten entstammen, in (Sammel-)Handschriften überliefert.
Literatur
Amacher, Urs: Züricher Fischerei im Spätmittelalter: Realienkunde, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Fischerei im Züricher Gebiet (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 63). Zürich 1996 (auch Diss. Universität Zürich 1994/1995).
Amacher, Urs: Geschichte der Fischer und der Fischerei im Mittelalter. In: Fisch und Fischer aus zwei Jahrtausenden: eine fischereiwirtschaftliche Zeitreise durch die Nordwestschweiz, herausgegeben von Heidemarie Hüster Plogmann (= Forschungen in Augst 39). Augst 2006, S. 95–106.
Amacher, Urs: Mit Garnen, Netzen, Bären und Schnüren. Die Geräte und Fangmethoden der Fischer im Mittelalter. In: Fisch und Fischer aus zwei Jahrtausenden: eine fischereiwirtschaftliche Zeitreise durch die Nordwestschweiz, herausgegeben von Heidemarie Hüster Plogmann (= Forschungen in Augst 39). Augst 2006, S. 123–130.
Bossart, Julia/Flück, Matthias: «… dass auch die visch feüchter und kalter natur sind». Archäologische und historische Spurensuche durch ein Jahr im Mittelalter. In: Fisch und Fischer aus zwei Jahrtausenden: eine fischereiwirtschaftliche Zeitreise durch die Nordwestschweiz, herausgegeben von Heidemarie Hüster Plogmann (= Forschungen in Augst 39). Augst 2006, S. 131–140.
Eis, Gerhard: Bakterienlampen im Mittelalter. In: Gerhard Eis: Forschungen zur Fachprosa: Ausgewählte Beiträge. Bern/München 1971, S. 219–222. [Zuerst erschienen in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 40 (1956), S. 289–294.]
Eis, Gerhard: Altdeutsche Fachschriften als Urkunden des zivilisatorischen Fortschritts. In: Fachprosaforschung: Acht Vorträge zur mittelalterlichen Artesliteratur, herausgegeben von Gundolf Keil und Peter Assion. Berlin 1974, S. 9–23 [zuerst erschienen in ZfdPh 89 (1970) S. 89–104.]
Häberle, Simone/Marti-Grädel, Elisabeth: Die Teichwirtschaft vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit. In: Fisch und Fischer aus zwei Jahrtausenden: eine fischereiwirtschaftliche Zeitreise durch die Nordwestschweiz, herausgegeben von Heidemarie Hüster Plogmann (= Forschungen in Augst 39). Augst 2006, S. 149–159.
Kohl, Gerald: Art. ‚Jagd- und Fischereirechte‘. In: Handbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Bd. II: Geistliche Gerichtsbarkeit – Konfiskation. 2012, Sp. 1341–1348.
Lampen, Angelika: Fischerei und Fischhandel im Mittelalter: wirtschafts- und sozialgeschichtliche Untersuchungen nach urkundlichen und archäologischen Quellen des 6. bis 14. Jahrhunderts im Gebiet des Deutschen Reiches (= Historische Studien 461). Husum 2000 (zugl. Diss. Universität Kassel 1997).
Probst, Ulrich/Sénécheau, Miriam: Flußalltag – Fischerei am Oberrhein. In: Spätmittelalter am Oberrhein: Große Landesausstellung Baden-Württemberg: 29. September 2001–3. Februar 2002, Teil 2: Alltag, Handwerk und Handel 1350–1525: Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Bd. 2: Aufsatzband. Stuttgart 2001, S. 171–184 [Probst: Abschnitte I–III, Sénécheau: Abschnitte III–IV].
Simon-Muscheid, Katharina: Der Umgang mit Wasser im hohen und späten Mittelalter: Theoretische Kenntnisse und praktische Massnahmen zum Gewässerschutz. In: Fisch und Fischer aus zwei Jahrtausenden: eine fischereiwirtschaftliche Zeitreise durch die Nordwestschweiz, herausgegeben von Heidemarie Hüster Plogmann (= Forschungen in Augst 39). Augst 2006, S. 21–31.
Willoweit, Dietmar: Die Rechte des gemeinen Mannes: Fischerei und Waldnutzung im Entstehungsprozess der alteuropäischen Rechtsordnung. In: Recht im Wandel – Wandel des Rechts: Festschrift für Jürgen Weitzel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Ignacio Czeguhn. Köln/Weimar/Wien 2014, S. 205–224.
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